«Man tut etwas Gutes und wird dafür belohnt»

30.11.2021 | Zürich

Circle Simon Vogt Luftaufnahme1 mit Copyright
Bild Frau Kull
Bild Herr Appert

In den nächsten Monaten erfolgt die Zertifizierung des Circle mit dem Status LEED PLATINUM. HRS als Totalunternehmerin und Amstein + Walthert als hauptverantwortliche Gebäudetechnikplanerin waren federführend beteiligt. Rebecca Kull, COO von HRS, und Christian Appert, CEO der Amstein + Walthert Gruppe, im Gespräch über Nachhaltigkeit bei einem Projekt der Superlative.

Frau Kull, Sie haben unter der Bauherrschaft der Flughafen Zürich AG und von Swiss Life AG das Projekt «The Circle at Zurich Airport» realisiert. Welche Rolle hat der Nachhaltigkeitsaspekt gespielt?


Rebecca Kull: Eine sehr grosse, wie sich darin zeigt, dass wir damit die LEED-PLATINUM-Zertifizierung umsetzen. Der Circle wird damit das grösste LEED-PLATINUM Projekt in Europa und eines der zehn bis zwanzig grössten der Welt. Für die Schweiz ist das ein Superlativ mit grosser Ausstrahlung. Über Nachhaltigkeit sprechen viele gerne, das ist leicht. Aber entscheidend ist, was man tut: die gelebte Sustainability.

Herr Appert, LEED ist in der Schweiz über Fachkreise hinaus noch nicht sehr bekannt. Wofür stehen die Buchstaben?


Christian Appert: LEED ist die Abkürzung von Leadership in Energy and Environmental Design. Es gehört zu den weltweit am meisten verbreiteten Nachhaltigkeitslabels. Im Grunde ist LEED etwas Ähnliches wie Minergie: ein Qualitätssicherungsinstrument, das Bauherrschaften hilft, ihre Ansprüche im Bereich Nachhaltigkeit zu definieren und das Definierte auch zu erhalten.

Wo liegen die Unterschiede zum in der Schweiz ausserhalb der Fachwelt bekannteren Minergie-Label?


Appert: LEED ist kein aspektorientiertes Label, das nur auf den Energieverbrauch des Gebäudes fokussiert ist, sondern versucht, sämtliche Aspekte des nachhaltigen Bauens abzubilden. Es gibt gewisse minimale Anforderungen, die immer umgesetzt werden müssen, bei anderen Aspekten kann man unter Beachtung des Gesamtsystems einer individuell entwickelten Nachhaltigkeitsstrategie folgen. Dabei gilt: Je mehr Nachhaltigkeitsaspekte bei einem Projekt umgesetzt werden, desto besser wird das Zertifizierungsergebnis. Dieser Grundgedanke hat etwas sehr Amerikanisches, von dort kommt das Modell: Man tut etwas Gutes und wird dafür belohnt.

In welchen Hinsichten ist der Circle besonders nachhaltig, so dass er diese hochwertige Zertifizierung erreichen wird?


Appert: Es gibt eine ganze Reihe von Kategorien, in denen der Circle hervorsticht. Das Energiekonzept ist da zu nennen, mit sehr geringem Primärenergieverbrauch und CO2-Ausstoss. Sehr hoch ist die Trinkwassereinsparung, indem Regenwassertanks z.B. für die Toilettenspülung aufkommen, darüber hinaus sind die Armaturen sehr effizient. Wir haben auf den Dächern Photovoltaik-Module mit Gründächern kombiniert. So können wir einen Teil des Strombedarfs selber decken und gleichzeitig Lebensräume zum Beispiel für Insekten schaffen. Der Circle wurde auf einem bereits erschlossenen Grundstück realisiert und das Projekt war mit einer Altlastensanierung verbunden. Die Anbindung an den öffentlichen Verkehr und Langsamverkehr ist hervorragend. Für das Pendeln mit dem Velo wurden entsprechend grosszügige Infrastrukturen wie z.B. Duschen oder gedeckte Abstellplätze gebaut… Ich könnte die Liste weiterführen, sie zeigt den umfassenden Ansatz von LEED PLATINUM gut auf.

Welche Learnings ziehen Sie aus dem Projekt?


Appert: Dass auch grosse Projekte sehr nachhaltig sein können. Oft hört man: Ein grosses Projekt hat einfach einen negativen Impact. Der Circle zeigt, dass dies falsch ist.

Kull: Man braucht eine gute Zusammenarbeit zwischen den Planern, um diese hohe Nachhaltigkeit hinzubekommen. Generell waren Prozesse für die Qualitätssicherung bei einem Projekt mit so vielen Leuten in Planung und Ausführung die ganz grosse Herausforderung. Man kann der Projektorganisation in einer solchen Situation gar nicht genug Aufmerksamkeit widmen – das ist für mich das zentrale Learning aus dem Projekt. Und da hilft es natürlich, wenn man, wie unsere beiden Firmen HRS und Amstein & Walthert, eine lange gemeinsame Geschichte und ein Vertrauensverhältnis auf höchster Ebene hat. Ich freue mich sehr auf unsere weitere Zusammenarbeit!

Wie sieht der weitere Zeitplan aus?


Appert: Die Schlussabnahme des Circle ist erfolgt, ab da dauert der LEED-Reviewprozess ein paar Monate. Wir sind zuversichtlich, dass die Zertifizierung per Ende Q1 2022 vorliegt.


Rebecca Kull, Jahrgang 1971, ist diplomierte Architektin ETH SIA und hat sich, ebenfalls an der ETH, in Betriebswirtschaft für Baumanager, Immobilienbewertung und Marketing weitergebildet. Sie arbeitet seit 2009 für HRS, seit 2010 ist sie COO, Inhaberin und Mitglied des Verwaltungsrates. Aktuelle Projekte von Rebecca Kull sind das Polizei- und Justizzentrum (PJZ) in Zürich, der Flughafen Genf und das Stadionprojekt Swisslife Arena in Zürich.

Christian Appert, Jahrgang 1961, ist Eidg. Dipl. El. Inst. und seit 2006 CEO der Amstein + Walthert Gruppe. Ausserdem begleitet er übergeordnet die Projektleitung bei Grossprojekten wie The Circle, dem Bäderquartier in Baden oder dem Polizei- und Justizzentrum (PJZ) in Zürich.